Dienstag, 6. September 2011

Eine Stimme für den Traumsplitter

„Lampion! Lampion! Lampion!“
Ein Wort, das sich fix tippen lässt, und über das man wirklich nicht nachdenken muss. Zumindest nicht als Autor. Für einen Sprecher kann es glatt zum Hassobjekt werden.
„Du, Annina, das klingt immer noch wie Champingnon und nicht wie Lampiooon.“
Den folgenden Wutschrei kann ich dafür nur umschreiben, während Annina Braunmiller ihn eindrucksvoll vorführen kann. Wie die Sprecherin des „Traumsplitters“ ohnehin alles sehr eindrucksvoll macht an diesem Septembertag im Münchner opus live -Studio:  flüstern, drohen, flirten und sogar singen. Alles unterlegt mit der passenden Mimik, wie die faszinierte Autorin von ihrem Stuhl hinterm Mischpult aus beobachtet.
Annina lebt, was sie spricht, ist ganz und gar in jeder Figur drin.
Dass ich mit dabei sein darf, wenn das „Traumsplitter“-Hörbuch aufgenommen wird, verdanke ich Thomas Krüger, der seines Zeichens nicht nur Herrscher über den Audiobuch-Verlag „Schall & Wahn“ ist, sondern auch die Regie bei der Aufnahme führt. Ihm ist es zu zuscheiben, dass Annina und der Lampion schon bald ganz dicke miteineinander sind.
„Können die Dinger nicht einfach chinesische Leuchtkunstwerke heißen?“, fragt die Sprecherin mit einem charmanten Lächeln.
Nein, leider nicht.
Man sollte eigentlich nicht glauben, dass einem „chinesische Leuchtkunstwerke“ leichter von den Lippen geht, aber bei Annina klappt das ... wie auch alles andere, was sie in dem kochendheißen Studio ins Mikro spricht (draußen herrschte Sonnenschein pur - was mir persönlich schnuppe war, ich hätte stundenlang zuhören können. Na ja, habe ich dann ja auch). Sicherlich hängt es mit ihrer Musical-Ausbildung zusammen, die die Basis dafür bildet, dass Thomas nur sagen muss: „Leg mal die Betonung aufs Verb“ und – zack – schon klingt der Satz vollkommen anders. Vor allem ist jedoch ihre akribische Vorbereitung dafür verantwortlich, dass sie den Roman nicht bloß vorliest, sondern interpretiert. Auf eine Weise, dass ich als Autorin daneben sitze und ständig denke: „Genau so muss das klingen, der Ton ist perfekt Ella“. Und erst Anninas fiese Bernadette ... eine tiefe sexy Stimme. Kaum zu glauben, wo sie ansonsten doch eher jung und und von der Stimmlage eher hoch klingt.
In einer Pause, in der wir kräftig Wasser trinken und uns nur knapp davon abhalten können, es uns über den Kopf zu gießen, erzählt Annina, dass sie den „Traumsplitter“ zuerst komplett und dann die gekürzte Fassung gelesen hat. Anschließend beginnt sie mit dem „Leuchten“: jede Figur bekommt bei ihr eine eigene Farbe („Gelb für Ella, weil sie ein Sonnenschein ist.“) und der Text wird noch einmal darauf durchgesehen, wie betont werden muss. Dem Ergebnis ist dann anzuhören, wie gut Annina die Geschichte kennt. Da wird ein Satz hervorgehoben, weil sie weiß, dass seine Aussage später noch von Bedeutung sein wird, oder die richtigen Stellen ironisch betont, obwohl es erst auf den zweiten Blick ersichtlich ist.
Während ich vollkommen hin und weg bin, tippt Thomas – der den Text auf seinem i-Pad verfolgt - immer wieder auf einen roten Knopf. Das Studio, in dem Annina liest, ist nämlich schalldicht und man braucht dieses Knöpfchen, damit sie uns hören kann. Wir hingegen hören alles, was sie von sich gibt, sogar ein Magenknurren. Sobald Thomas also bemerkt, dass ein Wort vorschluckt wurde oder er einen Vorschlag machen möchte, wie man einen Satz auch anderes sprechen könnte, drückt er das berühmte Knöpfchen. Oder auch nicht. Dann erklingt plötzlich Anninas Stimme: „Hey, worüber lacht ihr denn? Ich sehe doch, dass ihr die Lippen bewegt. Thomas, lass mich auch mithören!“
Man merkt schon, die Stimmung während der Aufnahme war locker-flockig, obwohl die Arbeit volle Konzentration kostet. Zeitintensiv ist sie auch, aber das schien niemanden zu stören, auch nicht Benjamin Schadel-Hermann, den Tonleiter mit Zwirbelschnurrbart und „Iron Maiden“-T-Shirt, der in aller Ruhe über den im Text vorkommenden Kimono spricht, wo er doch Japanologie studiert hat. Da wundert man sich auch nicht weiter, dass Annina für Thomas plötzlich „Blümchen“ heißt, schließlich spielt ein Garten eine wichtige Rolle im „Traumsplitter“.
Als wir abends auf allen vieren aus dem Tonstudio krabbeln, wünsche ich mir inständig, das fertige Hörbuch bereits mit nach Hause zu nehmen. Beim Zuhören hatte ich zeitweise vergessen, dass ich den Text ja kenne, so begeistert war ich. Aber leider, leider wird das ganze noch ein Weilchen dauern, bis es soweit ist: Benjamin wird nun in Geduldsarbeit die Sätze richtig aneinanderbauen, raussuchen, welche Satzvariante die bessere ist und Anninas „Das kann ich schöner. Noch einmal!“ rausschneiden. An zehn Minuten Aufnahme sitzt er deshalb ca. eine Stunde. Auweia.
Ich habe allerdings das gute Gefühl, dass sich die Arbeit wirklich lohnt.
Lam-ping-pong.

PS: Demnächst stelle ich ein kleines Interview mit Annina in meinen Blog. Ich bin jetzt schon gespannt!

Und hier noch ein paar Foto zur hübschen Veranschaulichung ;-)




Annina im Studio - ganz entspannt



Ihr "geleuchteter" Text


Thomas, Text und Tanja

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